Für viele Unternehmen sind Messen singulare Ereignisse im Jahreskalender, irgendwo zwischen Marketing und Vertrieb angesiedelt. Unter den vielen praktischen Erwägungen wie Größe des Messestands, Exponate, Budget und Teilnehmer, hat es die Betrachtung der Messe als Erlebnis mit Atmosphäre und als inszeniertes Ereignis manchmal schwer.
Immer stärker unterliegen Messen der Rechtfertigung, inwieweit das eingebrachte Invest sich nachweisbar und absehbar rechnet. Dazu werden Kenngrößen wie Leads und daraus generierte Umsätze als Kriterien herangezogen. Insofern gehen die meisten Überlegungen eher auf betriebswirtschaftliche Aspekte und dabei insbesondere auf Abläufe und Optimierung des vertrieblichen Erfolgs ein.

Studie zum Wandel der Messe der Messelandschaft

In einer umfangreichen Studie  des Instituts für Publikumswirtschaft in der SRH Hochschule der populären Künste in Zusammenarbeit mit dem Verband der deutschen Messewirtschaft (AUMA) und der Internationalen Tourismusbörse in Berlin gibt es nun um eine umfassende Betrachtung der „Dimension des Erlebens, Ihre Wahrnehmung und Hinweise zur Ihrer Inszenierung“. Grundlage sind qualitative und quantitative Befragungen. Herausgekommen ist eine umfassende Betrachtung des aktuellen Messetreibens, deren Wandel und wie das mit aktuellen gesellschaftlichen Tendenzen und dem Einzelnen zusammen hängt.
Seit den 90er Jahren wird die Orientierung hin zu einem Zuwachs  an Freizeit, Genuß und Unterhaltung in der Vorstellung eines erfüllten Lebens festgestellt. Parallel haben sich durch technische Neuerungen die Aufnahme und Verarbeitung unserer Realität z.B. durch Privatfernsehen, Digitalfotografie und natürlich dem Internet, hin zu einer deutlich stärkeren Kommunikation in Bildern verschoben. Bilder sind gegenüber geschriebenen Information deutlich emotionaler und unmittelbarer. Damit einher durchdringt Ästhetisierung und Design die Produkt und Lebenswelten, da die Geschichten die sich unmittelbar aus den Produkten ergeben erzählt sind. Tatsächliche Produktneuheiten und Innovationen sind rar, daher geht es jetzt darum darüber hinaus Erzählungen zu finden, in denen die Produkte über Ihren Gebrauchswert hinaus Nutzen schaffen z.B. durch die Bestätigung eines positiv belegten Lebensgefühls oder übergeordnete moralische Begriffe wie Toleranz, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit. Messen stehen hier in unmittelbarer Wechselwirkung mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen.

Die drei Dimensionen des Messeerlebnisses

Als zentrale Erkenntnis arbeiteten die Macher der Studie drei Dimensionen heraus, die in der Wahrnehmung des Messeerlebnisses Relevant sind. Das ist zum einen die Emotion, also Spaß, Unterhaltung, Flow, Sinn und Sinnlichkeit, dann die Autonomie mit persönlichen Handlungsspielräumen sowie Kontroll- und Regulationsmöglichkeiten und die Kognition als Begriff für Impulse und Orientierung durch Wissen und Begegnung.
Das Messeerlebnis ist für jeden Teilnehmer individuell und subjektiv. Wie auch die Frage ob ein Messebesuch als ein positives Ereignis gewertet wird immer aus der Erinnerung beantwortet wird. Auch wenn die Orientierung hin zum Event in der Messewirtschaft grundsätzlich gesetzt ist, haben unterschiedliche Messen mit verschiedenen Zielgruppen unterschiedliche Bedürfnisse. Gute Messestände können dazu mit bleibenden Eindrücken beitragen.  Mit einer räumlich ansprechenden Gestaltung können den individuellen Wünsche sowohl nach Ge- wie Entspanntheit genauso entsprochen werden wie Höhepunkte mit multisensorischer Produktpräsentation wie z.B. filmische Darstellung, 3-D-Visualisierung oder Präsentationsformen die Produkte visuell und haptisch erlebbar zu machen. Um den Dreiklang aus Emotion, Kognition und Autonomie für die jeweilige Zielgruppe, Standgröße und Budget in eine stimmige Erzählung einzubinden, müssen Messebauer und Kunden immer das positive Kundenerlebnis im Blick haben und Erlebnis-, Informations- und Kommunikationserwartungen auf dem Messestand orchestrieren und architektonisch, technisch und personell umsetzen.

Klassische Veranstaltungsformate werden ergänzt

Vielfältige Mischungen an klassischen Veranstaltungsformaten wie  Messe, Kongress und Festival zeigen darüber hinaus das Bemühen mit neuen Formen unterhaltsamer und/oder dialogischer Wissensvermittlung durch Spiel, Partizipation und Interaktion einen Kundennutzen zu erzielen. In der neuartigen Fusion von Veranstaltungsformen liegen für Unternehmen Herausforderung wie Chance inhaltlich und visuell neue Wege zu gehen um neue Impulse zu geben.
Was die Studie für den Messebau aufzeigt ist seine Bedeutung bei einer Gesamtinszenierung die soziale, räumliche, zeitliche und ästhetische Gesichtspunkte im Raum zusammen bringt. Das können in dem einen Fall offene und barrierefreie Zugänge zum ausprobieren von Exponaten sein, das kann die großflächige LED Filmwand sein auf der filmisch die Produktneuheit erläutert und gefeiert wird oder die geschützten exklusiven Präsentationsnischen die trotz des Messetrubels den einzelnen in das Zentrum der Aufmerksamkeit stellt. Die Liste der Möglichkeiten bei der Unternehmensdarstellung das positive Kundenerlebnis zu einer maßgeblichen Überlegung bei der Standgestaltung macht ist groß. Erfolg mißt sich dabei an dem Grad der Passung zwischen den übergreifenden Überlegungen und deren Umsetzung auf der einen Seite und dem individuellen Erleben des Einzelnen auf der anderen Seite. Ein emotional und/oder intellektuell positiv erlebtes Kundenerlebnis wirkt nachhaltig positiv auf den weiteren Umgang mit dem Unternehmen und seinen Produkten.
Ähnlich wie in anderen Bereichen der Wirtschaft geht es nicht mehr um ein höher, weiter oder mehr. Ein gelungener Messeauftritt lebt von der gelungenen Umsetzung des Gesamtarrangements. Dem Messebauer kommt hier eine wichtige beratende Funktion zu, da nach meiner Erfahrung in vielen Unternehmen diese Überlegungen zu kurz greifen.